Informationen zur Mehrsprachigkeit
Nein, im Gegenteil. In vielen Berufen werden heute Fremdsprachkenntnisse verlangt. Außerdem fördert es die kognitive Entwicklung, wenn man in mehreren Sprachen kompetent ist.
Mehrsprachigkeit ist keine Ausnahme. Etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung spricht zwei und mehr Sprachen!
Lernt ein Kind von Geburt an zwei Sprachen gleichzeitig, so entwickeln sich diese unabhängig voneinander und ohne Verzögerung, wie bei einsprachigen Kindern. Es verfügt dann über zwei Erstsprachen.
Beginnt der Erwerb der zweiten Sprache erst mit dem 3. Lebensjahr, spricht man von einer Zweitsprache. Wird diese erlernt, macht das Kind in dieser zweiten Sprache noch einmal den normalen Spracherwerb durch, d.h. es wird nicht gleich grammatisch korrekt sprechen. Man vermutet auch, dass beim Zweitspracherwerb noch einmal eine Phase des unflüssigen Sprechens durchlaufen wird. Zu Beginn des Zweitspracherwerbs ist eine Schweigephase möglich. Die Kinder hören zu und bauen in der Zeit ihre Kompetenz auf. Diese Phase kann einige Tage bis mehrere Monate dauern.
Beginnt der Erwerb der zweiten Sprache erst ab dem 6. Lebensjahr, ist das eine Fremdsprache. Der Erwerb der zweiten Sprache verläuft jetzt nicht mehr automatisch, sondern bewusster und mühevoller. Zum Beispiel wird es nun schwieriger, sich die richtige Betonung anzueignen.
Das Kind sollte v.a. in den ersten Jahren von den Eltern jeweils die Sprache lernen, welche sie am besten sprechen, also deren Muttersprache. Für das Kind ist es am besten, wenn es eine Sprache mit einer Person verbinden kann. Sind die Eltern selbst schon mehrsprachig, wäre eine situationsabhängige Sprachregelung günstig.
Benutzt man eine Sprache zu weniger als 20%, wird sie vernachlässigt und nicht perfekt gesprochen.
Erwirbt das Kind zu wenig Sprachkompetenzen in seiner Erstsprache, so kann sich dies wiederum negativ auf den Erwerb der Zweitsprache und die kognitive Entwicklung auswirken.
Man sollte den Kindern schon früh ermöglichen, Kontakte zu Menschen zu knüpfen, welche die gewünschte Sprache sprechen.
Nein, dieses Vorurteil ist wissenschaftlich widerlegt worden. Bei mehrsprachigen Kindern kommt eine Sprachentwicklungsstörung sogar seltener vor als bei einsprachigen, aber wenn Probleme auftreten, dann sind sie meist stärker ausgeprägt. Auch ungünstige soziale Bedingungen sind keine Ursache für Sprachentwicklungsprobleme, wie oft behauptet wird.
Grundsätzlich treten Sprachstörungen in allen Sprachen auf, jedoch in unterschiedlichen Ausprägungen. Diese hängen von der Struktur der jeweiligen Sprache ab. Ist beispielsweise die Grammatik der Erstsprache einfacher strukturiert als die der Zweitsprache, so wird sich in der Erstsprache der Dysgrammatismus auch weniger bemerkbar machen.
Spricht ein Kind mit 2,5 Jahren noch gar nicht, ist eine Elternberatung sinnvoll, mit 3 Jahren sollte dann unbedingt eine logopädische Therapie stattfinden, gleichgültig, ob das Kind nun ein- oder mehrsprachig ist.
Besucht ein Kind ab dem 3. Lebensjahr regelmäßig den Kindergarten und lernt erst dort die zweite Sprache, so ist es mit 4 Jahren in der Lage, sich in dieser Sprache gut zu unterhalten. Nach 3 Lernjahren sollte die Zweitsprache so gut entwickelt sein, dass sie nun unauffällig ist.
Leider werden Sprachförderung und Sprachtherapie häufig miteinander gleichgesetzt. Eine Therapie wird oft mit dem Hinweis verwehrt, das Kind erhalte ja bereits Sprachförderung im Kindergarten. Dabei ist nachgewiesen, dass bei sprachentwicklungsverzögerten Kindern mit allgemeiner Sprachförderung nach dem 3. Lebensjahr kein Aufholeffekt mehr erzielt werden kann. Für spracharme Kinder genügt eine Förderung, sprachgestörte Kinder gehören in logopädische Behandlung. Manchmal können sich die Maßnahmen gegenseitig ergänzen, nicht aber ersetzen.
Wenn sich Eltern Sorgen machen, weil ihr Kind auch in der Erstsprache Probleme hat, sollte eine ärztliche und logopädische Abklärung erfolgen. Ebenso, wenn ein Kind schon längere Zeit an einem Sprachförderprogramm regelmäßig teilnimmt und im Gegensatz zu den anderen Kindern kaum Fortschritte erzielt. Aufgrund unzureichender Informationen und der o.g. Vorurteile erhalten mehrsprachige Kinder mit Sprachproblemen in der Regel später oder gar keine Therapie.
Sowohl in der Sprachförderung als auch in der Sprachtherapie sollte unbedingt die Erstsprache mit gefördert werden.
Ausführliche Informationen über Mehrsprachigkeit erhalten Sie z.B. beim Bundesverband für Logopädie unter
www.dbl-ev.de. Dort gibt es auch Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen.
Ein sehr guter Ratgeber für Eltern wurde von Elke Burkhardt Montanari geschrieben: „Wie Kinder mehrsprachig aufwachsen.“ Wertvolle Informationen auch hinsichtlich wirkungsvoller schulischer Formen des Zweisprachenunterrichts liefert der vom Lehrmittelverlag Graubünden herausgegebene Ratgeber „Zwei- und mehrsprachige Erziehung“ von Rico Cathomas und Werner Carigier.